Von Autoflotte-Chefredakteur Michael Blumenstein
Ausgiebig testen ist seit einem Jahr nicht mehr. Die meisten Erstkontakte beschränken sich auf ein bis zwei Stunden Fahrzeit. Wer schnell ist und eine passende Location findet, macht in der Zeit auch noch eigene Fotos vom Fahrzeug – manchmal. Waren "früher" eher 150 bis 250 Kilometer Testfahrt Usus, verkürzt Corona diese auf spärliche 30 bis 60. Warum? "Damals" fuhr man mit einem Journalistenkollegen gemeinsam – seit Corona nicht mehr, dennoch sollen möglichst viele Medien das Fahrzeug erleben, was Zeitverknappung für alle bedeutet. So auch beim Besuch der in Deutschland neuen Automarke Lynk & Co und ihrem ersten Modell, dem 01. Zeit ist Mangelware.
Kein Besitz für niemanden
Vielleicht ist das bereits eine Art des Verzichts, auf den wir uns alle ja einstellen sollen. So zumindest wird es von vielen Seiten propagiert – um die Welt zu retten. Und das nicht erst seit gestern. Bereits Ende 2016 hat die dänische Politikerin Ida Auken in einem Beitrag, der auf der Seite des World Economic Forums (WEF) zu lesen ist, geschrieben, dass Besitz überflüssig wird. "Here's how life could change in my city by the year 2030" lautete ihr "Gedankenspiel", welches sich in Teilen bereits sehr real anfühlt. Aukens Artikel wurde nachträglich durch eine Fußnote ergänzt, die besagt, dass sie mit dem Artikel lediglich Diskussionen entfachen wollte.
Drei Jahre später reden alle über Abomodelle in sämtlichen Lebensbereichen. Und viele setzen das Abo gleichbedeutend mit Verzicht, Öko und Welt retten. Denn „mir“ gehört das geliehene Objekt (virtuell oder physisch) ja nicht mehr. Also verzichte ich. Wirklich? Nein. Denn bei haptischen Produkten muss auch dieses erst einmal hergestellt werden, vernichtet ergo auch Ressourcen. Nutze ich diese im Abomodell bis ans Nutzbarkeit-Ende, hätte ich es mir auch gleich selbst kaufen und "verbrauchen" können. Abos sind also eher was für Kurzentschlossene, Schnellwechsler und Nichtfestleger. Und es lädt zum Ausprobieren ein. Sei es ein Streamingdienst, eine Ladekarte oder gleich das gesamte Elektroauto. Beim Auto wird es kompliziert. Denn dabei handelt es sich um eine erhebliche Investition. Monetär, aber auch ressourcenmäßig. Es sei denn, man nutzt Gebrauchtes. Oder man teilt es. Car Sharing ist so ein Produkt. Das läuft und läuft und läuft und geht durch viele Hände.
Auch bei Auto-Abos gibt es, wie in unserer Aprilausgabe zu sehen, große Unterschiede. Dort sind es gebrauchte Fahrzeuge, hier welche vom Händler, manchmal direkt vom Hersteller und hin und wieder sind es auch Neuwagen. Lynk & Co war in unserer Liste noch nicht dabei. Die Schweden mit chinesischen Wurzeln starten mit einem Modell, 01 genannt. Das kann – wer möchte – im Abo bezogen werden. Für lediglich 500 Euro, "all in", bis auf Sprit und Strom. Zudem gibt es eine Mitgliedschaft im "Club" – cool. Wenn man meint, Clubmitglied sein zu müssen. In einer Zeit, in der Vereine um Mitglieder ringen, klingt es fast anachronistisch, diese Idee neu interpretieren zu wollen; gerade auch beim Automobil. Der Lifestyle-Faktor schwingt hier mit und die Lynk & Co-Clubs, die es demnächst auch in den Metropolen Deutschlands geben soll, locken angeblich.
Zurück zum eigentlichen Thema, dem Auto. Der Lynk & Co 01 ist als Plug-in-Hybrid (PHEV) oder Hybrid und in schwarz oder blau erhältlich – grün gibt es nicht, das will er ja intrinsisch sein. Zumindest der Idee von Alain Visser nach, seines Zeichens Chef von Lynk & Co. Denn wer es im Abo bezieht, kann es auch teilen, oder cooler: sharen. Damit lässt sich die monatliche Rate reduzieren. Denn man kann selbst festlegen, wer es nutzen darf und wie viel das abermalige Nutzen kosten soll. Freigeschaltet wird mittels App und Zuweisung aufs Smartphone.
500 Euro vs. 42.000 Euro (brutto)
Wir fuhren den PHEV, der wird vor allem unter Firmenwagennutzenden interessant, versteuern diese nur noch 0,5 Prozent im Monat. Aber der Lynk 01 soll doch nur im Abo erhältlich sein? Naja, fast. Wer drauf besteht, kann den 01 eben doch kaufen. 42.000 Euro brutto, ergo 35.294 Euro netto kostet die Plug-in-Version. Abzüglich Förderung, denn die Voraussetzungen für diese erfüllt der Lynk 01 spielend. Laut Hersteller soll das 4,54 Meter lange und 1,9 Tonnen schwere SUV 69 Kilometer weit elektrisch fahren können – im WLTP-Mix. Innerstädtisch sind es gar 81. Möglich macht das der 17,6 kWh-Akku, von dem rund 80 Prozent nutzbar sind. Mehr als es im Volvo XC 40 Plug-in-Hybrid der Fall sind. Warum der Vergleich? Nun ja, Lynk gehört wie Volvo zum Kaiserreich Geely und schlau wie die Chinesen sind, ist technisch einiges "kompatibel" – so auch die Werkstattinfrastruktur, die man jedoch nie zu Gesicht bekommt. Denn Hol- und Bringservice sind in der Miete inkludiert, im Kauf? Keine Ahnung.
Im 01 wird die Vorderachse – wie beim etwas kürzeren Volvo vom 1,5-Liter-Dreizylinder angetrieben und von einem Elektromotor. In Gänze sammeln sich 260 PS am Frontantrieb und bearbeiten diesen bei voller Beschleunigung spürbar. Soll heißen: Allrad wäre schön. Jedoch wird solch ein Spurt im "Power"-Mode wohl eher selten zum Repertoire der 01-Piloten gehören. Denn auch im Lynk sollte man den Fahrstil an das Konzept anpassen. Und das soll eben lauten: Öko-grün.
Die versprochene Reichweite stand beim Start am Berliner Ostbahnhof tatsächlich auf dem Display (74 km) und dezimierte sich analog zur gefahrenen Strecke. Sofern die Kalibrierung des Vorserienmodells bereits stimmt: Hut ab. So weit sind wir noch mit keinem PHEV gestromert. Ansonsten besticht der Antrieb durch Unauffälligkeit. Den Übergang zwischen E-Motor und Verbrenner im Hybrid-Modus spürt man kaum. Der Benziner trommelt dumpf von tief unten, wenn er aktiv ist; rein elektrisch flüstert der 01 über den Berliner Asphalt. Der ist bekanntermaßen alles andere als akkurat gepflegt. Das bekommen die Insassen auch jederzeit mit, denn die Abstimmung der Feder- und Dämpfer-Elemente erinnert eher an einen Sportwagen als an ein SUV. Hier dürfte gerne nachgearbeitet werden.
Der Wunsch ist Befehl
Nutzer des 01 können übrigens genau solche Wünsche via Knopfdruck ans Lynk-Hauptquartier melden. Fragen, Ideen und Infos werden bidirektional erörtert – zumindest im ersten Schritt. Ob sich Lynk dazu hinreißen lässt, Dinge im und am Fahrzeug zu ändern, kommt laut CTO David Green darauf an, wie viele Kunden genau diesen Wunsch äußern. Ausgeschlossen ist es nicht, wie der Brite, der im schwedischen Göteborg im Lynk-Hauptquartier sitzt, im Onlinegespräch mit Autoflotte bestätigte. Eine schöne Idee, die den Mitgliedern Zugehörigkeit vermitteln soll. Dass der Wagen stets online ist, ist bei Chinesen selbstredend. Und noch immer sind die Selfies nicht ausgestorben. Lynk installiert dazu sogar eine Kamera am Innenspiegel, die auf Knopfdruck Innenraumfotos macht. Wer's braucht.
Ansonsten verströmt das Interieur einen gewissen Charme. Einige Teile kennt man von Volvo, andere, wie das knapp 13-Zoll-große-Mitteldisplay und die Bedienelemente darunter noch nicht. Dass alles sauber eingesetzt ist und die Materialien stimmen, braucht nicht mehr erwähnt zu werden. In China bauen sie längst High-End – den 01 übrigens seit 2017. Auf Knopfdruck erwacht eine Dame, die einem jeden Wunsch von den Lippen ablesen soll. Zuhören kann sie gut, beim Sprechen hapert es noch ein wenig und erinnert an die Muppets. Wie Waldorf & Statler kommt man sich zwar nicht vor, aber die recht eng geschnittenen Sitze sind dennoch logentauglich. Bezogen sind sie stets mit einem Material, das aus Meeresabfall – primär Plastikmüll – besteht. Das ist derzeit en vogue, im Sommer eventuell aber schweißtreibend. Die Sitzposition passt, hinten auch, denn der Beinraum ist üppig. Dass die Kopfstützen vorne zu kurz (vollintegriert) und hinten stets herausragend im Wortsinne sind, fällt auf, stört vielleicht beim Rangieren. Ganz hinten geht es durchschnittlich zu. 466 Liter gibt Lynk an, wer umklappt ebnet die Fläche und 1.213 Liter sollen reinpassen. So kann man dem Lynk & Co 01 nicht viel vorwerfen. Den Namen vielleicht, der ist mehr als sperrig und wir nennen die Marke ab jetzt einfach Lynk.
Teschnische Daten: Lynk & Co 01Phev
Preis ab: 35.294 € R3/1.477 | 122 kW/180 PS | 265 Nm | 8,0 s | 210 km/h | Elektromotor: 60 kW/82 PS | Systemleistung 192 kW/261 PS | 425 Nm | 192 kW/261 PS | 425 Nm | Batteriekapazität: 14,6 kWh (nutzbar) | Ladezeit bei 3,7 kW (geprüfter Schukostecker): ca. 5 Std | Reichweite: 69 WLTP-Kilometer Verbrauch: 1,2 Liter Superbenzin + 14,6 kWh auf den ersten 100 Kilometern/27 g/km 4.541 x 1.857 x 1.694 mm | 466 – 1.213 l