Von Thomas Hirschberger
Es gibt sicher Automobile, die politisch korrekter unterwegs sind als der Kona N. Und es lässt sich trefflich streiten, ob es sinnvoll ist, in diesen Zeiten ausgerechnet einen kleinen SUV in eine Brennhexe zu verwandeln. Aber es gilt ja: Erlaubt ist, was gefällt. Und was die Kunden kaufen. Dazu gehören offensichtlich auch noch Autos, die ohne Stecker auf die Welt kommen. Hyundai muss jedenfalls nicht um seine N-thusiasten betteln. Seit der Einführung des ersten i30 N im Jahr 2017 haben sich bei uns über 18.000 Kunden für ein Modell mit dem Sportabzeichen "N" entschieden. Und unter denen hat sich längst rumgesprochen, dass es nicht für normal steht.
Das gilt auch und insbesondere für den neuen Kona N. Wie seine schnellen Brüder i30 N und i20 N zeigt auch der Kona schon von außen, was in ihm steckt. Nicht auf Krawall gebürstet, aber entsprechend seiner Mission gekleidet. Ein kompakter Muskelstrang. Die Kotflügel wie austrainierte Bizeps angespannt, das Gesicht prägt die bekannte Schürze der N-Line mit ihren drei (geschlossenen) Luftschlitzen oberhalb des grobmaschigen Grills, der jetzt auch das N-Emblem aufnimmt.
Der Konator steht auf großen 19 Zöllern, besohlt mit üppigen, gemeinsam mit Pirelli entwickelten 235/30er-P Zero-Gummis, die geschmiedeten Alu-Räder geben den Blick frei auf eine großvolumige Performance-Bremsanlage (360 mm-Scheiben) mit roten Bremssätteln. Seitlich unterhalb der Türen platziert Hyundai sportlich geformte Schwellerleisten, am Heck macht ein Dachkantenspoiler den Unterschied, in der Mitte nimmt er eine dreieckige, dritte Bremsleuchte auf. Der angedeutete Diffusor sowie zwei armdicke Blasinstrumente aus echtem Metall sorgen für den krönenden Abschluss.
Unter die Heckklappe passen 361 Liter Gepäck - genauso viel wie bei den zahmen Kona-Brüdern. Keine Abstriche also beim Nutzwert, auch nicht für die Passagiere, dafür reichlich Raum für Emotionen.
Sportlich ausgeformt
Öffnen wir die Fahrertür - und betreten ein Sportstudio, das auf den ersten Blick gar nicht so viel mehr Schweiß und Fahrspaß versprüht, als die zivilen Konas. Alles ziemlich dunkel, kein Chrom, schwarz ist halt eine beliebte Designsprache für Autos, bei denen Hochoktaniges durch die Adern fließt. Die Sitzposition ist SUV-like etwas höher, die Polsterung straff, aber nicht hart, die Wangen sind sportlich ausgeformt.
Wie beim i20 N hat das Lenkrad zwei N-Tasten, über die sich individuell vorkonfigurierte Fahrprogramme abrufen lassen. Darunter liegt der rote NDS-Knopf. Wer ihn drückt, weckt das Böse im Kona. Kurz angetippt und er strafft für 20 Sekunden all seine Muskeln, stürmt mit maximaler Power und fast schon vulgär grollend davon, als gelte es, dem Horizont eine Delle zu verpassen. 40 Sekunden Atempause zur Regeneration und der Kona N könnte schon wieder, hat wieder Luft geholt, um das Ganze Spektakel von vorne zu starten. Nochmal und nochmal...Grinch-Shift nennt Hyundai diesen kontrollierten Emotionsausbruch. Heißt so viel wie: Grinsen erlaubt. Ein kurzer Augenblick der Ekstase, den unsere Ordnungshüter sicher gerne als Erinnerungsfoto festhalten werden.
Pralles Paket an Assistenzsystemen
Ähnliche Gute-Laune-Extras hat der Kona N noch einige in Petto. Die ECS-Funktion zum Beispiel, eine elektronisch kontrollierte Federung, über die sich Härte und Ansprechverhalten der Dämpfer per Tastendruck verändern lassen und den Kona N auf der Piste zum Renn-SUV macht. Oder auch drei verschiedene Anzeigenformate für das digitale Cockpit, individuelle Einstellungen für Lenkung, Federung, Sound oder Head-Up-Display (erstmals in einem N-Modell). Dazu noch verschiedene Traktionsprogramme (Schnee, tiefer Schnee, Matsch, Sand), ein pralles Paket an Assistenzsystemen, sowie eine Launch-Control-Funktion für Sprintrennen aus dem Stand. Wem das Fell juckt, kann den 1,5 Tonnen schweren Kona N so in 5,5 Sekunden auf Tempo 100 katapultieren.
Hyundai Kona N (2022)
BildergalerieFür all die Gänsehaut-Momente ist der durchtrainierte Vierzylinder vorne unter der Haube zuständig. Es ist der gleiche Zweiliter-Turbo, der schon vom i30 N jeglichen Staub der Langeweile pustete und Hyundai damit ein dynamischeres Image verpasste. Mit 206 kW / 280 PS und 392 Newtonmeter Drehmoment haben die Koreaner erneut reichlich eingeschenkt.
Im Kona N arbeitet das Kraftpaket ausschließlich mit einem hellwachen 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe zusammen, einen Handschalter gibt es nicht, dafür zwei Schaltpaddels am Lenkrad, die Kraft leitet ein elektronisch gesteuertes Sperrdifferenzial an die Vorderräder. Bedeutet also auch: kein Allradantrieb. Alles regelt die Elektronik. Sie sorgt dafür, dass selbst unter Volldampf stets genügend Gripp und Bodenhaftung zur Verfügung stehen. Die Lenkung ist zwar beim heftigen Beschleunigen nicht gänzlich frei von Antriebseinflüssen, doch für einen so fetten Fronttriebler hat die N-Abteilung das technisch wirklich exzellent gelöst. Gleiches gilt für die Fahrwerksabstimmung. Nur minimal tiefer gelegt, ersticken die elektronisch geregelten Dämpfer sowie die straffen Federn nahezu jegliches Wanken in schnell gefahrenen Kurven schon im Keim. Erstaunlich für ein Auto, das mit seinem hohen Schwerpunkt konzeptionell nicht wirklich für ein Leben am Limit erschaffen wurde.
Teamfähiger Sportsfreund
Erkauft wird das übrigens nicht mit übermäßiger Härte. Der Kona N ist straff, aber nicht unfair, ein teamfähiger Sportsfreund, dem auch der Alltag keine Knüppel in Weg legt. Mit 37.950 Euro erscheint letztlich auch der Preis für den Kona N nicht unsportlich. Das sind zwar 2.000 Euro mehr als für den i30 Performance, aber eben auch über 8.000 Euro weniger als die vergleichbaren 300 PS-SUV Audi SQ2 oder VW T-Roc R. Risiken und Nebenwirkungen dürften bei allen ähnlich sein.
Und wem das jetzt alles zu viel Verbrenner-Romantik und zu wenig nachhaltig ist, der muss sich noch ein wenig gedulden. Denn auch E-Fahrzeuge mit dem sportlichen N am Kühlergrill kann sich Hyundai in Zukunft sehr gut vorstellen.