von Michael Specht
Der Unterschied zum i3, dem kleinen Elektro-Stadtflitzer mit seinem einmaligen Design und seiner revolutionären Karbonkarosserie, er könnte kaum größer sein. Acht Jahre danach trifft BMW erneut ein Statement für die Elektromobilität der Zukunft. Doch dieses Mal ist es ein fünf Meter großes und zweieinhalb Tonnen schweres SUV, der iX. Er wird im November beim Händler sein und in der Einstiegsversion mit der Bezeichnung iX xDrive40 bei 77.300 Euro starten. Der mit mehr Leistung und einer größeren Batterie ausgestattete iX xDrive50 kostet stolze 98.000 Euro.
Über Jahre ist BMW oft vorgeworfen worden, in Sachen Elektromobilität nicht in die Gänge zu kommen, obwohl man mit dem i3 im Sommer 2013 so gut vorgelegt hatte. Doch jetzt ist der Schalter für die Zukunft umgelegt. Der iX leitet sie ein. "Er ist unser 'Technologie-Flaggschiff' und wurde von Beginn an als Batterie-Elektroauto konzipiert", sagt die Produktmanagerin des iX, Carina Gärtner. Und weil man E-Antrieb, Sportlichkeit, Reichweite, Raum- und Reisekomfort unter einen Hut bringen wollte, konnte dies eben nicht erneut ein kleiner City-Stromer wie der i3 werden.
Vorbild beim Thema Nachhaltigkeit
Dass große SUV wie der iX, auch wenn sie elektrisch fahren, in der Öffentlich nicht ganz unkritisch gesehen werden – zumindest in Deutschland –, weiß man natürlich auch in der Konzernzentrale in München. Diskussionen gibt es stets um den hohen Energie- und Wasserverbrauch, der mit der Batterieproduktion zusammenhängt sowie um den Einsatz diverser Rohstoffe, die teils unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut werden. All dies hat BMW sehr konkret hinterfragt und spielt beim Thema Nachhaltigkeit mit offenen Karten: vollständige Transparenz der Lieferketten, vor allem für Kobalt und Lithium, keine dubiosen Zwischenhändler, Produktion des iX und der Batteriezellen mit Ökostrom, Elektromotoren ohne Seltene Erden, hoher Einsatz von Recycling-Materialien im Fahrzeug, Verwendung von Sekundär-Aluminium, weltweite Einhaltung von Sozialstandards, keine Rohstoffe aus dem Tiefseebergbau, 90 Prozent weniger Chrom am und im Auto, Einsatz von Polsterstoffen, die aus Nylonabfällen und aus alten Fischernetzen bestehen.
Hält BMW all diese Versprechen aufrecht, kann der Kunden seinen iX eigentlich mit grünem Gewissen starten. Ihn erwarten eine herrliche Ruhe und überragende Fahreigenschaften. "Der iX liefert eine vollkommende neue Erfahrung von Souveränität", sagt Johann Kistler, der Projektleiter des iX, "in diesem Auto steckt unser jahrzehntelanges Know-how." Eingebaut ist die 5. Generation der iDrive-Architektur, jeweils vorne und hinten sitzt ein Elektromotor, kompakt, leicht und äußerst effizient. Wie sparsam, das zeigen die WLTP-Verbrauchswerte. Für das derzeitige Topmodell, den iX xDrive50 mit einer Gesamtleistung von 385 kW/523 PS, gibt BMW 19,8 kWh/100 km an. Es wären rund 20 Prozent weniger als beispielsweise ein Mercedes EQC, Audi e-tron oder Tesla Model X ausweisen kann. Der iX xDrive40, seine beiden Motoren leisten zusammen 240 kW/326 PS verbraucht 19,4 kWh/100 km. Ein erheblicher Teil der Effizienz geht auf das Konto einer ausgefeilten Aerodynamik. Der cW-Wert liegt bei 0,25. Zum Vergleich: Der X5 hat 0,31.
Digitalisierung allerorten
Im Interieur lässt der iX seine Insassen in eine neuartige BMW-Welt eintauchen, was allerdings der i3 auch schon tat. Aber jetzt ist sie volldigital und offenbart sich im Cockpit über ein großes, gebogenes Display mit brillanter Darstellung und intuitiver Menüführung. Wer nicht über Touch gehen möchte, wählt die einfache Sprachbedienung oder den altbekannten iDrive-Controller. Nach wie vor überlebt haben auch die Favoritentasten. BMW hat sie nur in die digitale Welt überführt.
Die Digitalisierung beginnt im iX sogar schon vor dem Einstieg. Sobald man sich dem Auto nähert, kommuniziert das Auto mit dem Smartphone (oder dem Schlüssel) des Fahrers und es beginnt eine ganze Begrüßungszeremonie. Eingeschaltet werden Außen- und Innenlicht, die Türen entriegeln, das sogenannte "Curved Display" beginnt zu erwachen, das Handy wird automatisch gekoppelt und die BMW-ID aktiviert.
Gestartet aber wird noch manuell per Knopf. Dann die kleine Wippe auf D ziehen, und los geht’s. Sanft und nahezu lautlos setzt sich der bayerische Brocken in Bewegung. Doch nach kurzem Tritt aufs Pedal sind alle Vorbehalte an Gewicht und Größe verflogen. Die Dynamik ist beeindruckend. Der iX xDrive50 fühlt sich deutlich leichter an als er ist und fährt sich überaus agil. Federungs- und Geräuschkomfort sind überragend, besonders wenn die Luftfederung ihrer Arbeit nachgeht. Sie gehört allerdings nicht zum Serienumfang. Ebenso wenig wie die mitlenkenden Hinterräder. Sie sind jedoch eine lohnenswerte Investition, denn die Stabilität in Kurven und die Wendigkeit beim Rangieren oder im Parkhaus nehmen spürbar zu.
630 Kilometer Reichweite nach WLTP
Das bislang leidige Thema Reichweite kann beim BMW iX xDrive50 getrost ausgeblendet werden. In seinem Boden steckt eine Batterie mit einer nutzbaren Kapazität von 105,2 kWh. Damit sind 630 Kilometer zu schaffen, zumindest der WLTP-Norm nach. So gerüstet, sollten sich nicht nur sämtliche Alltagsanforderungen locker angehen lassen, sondern es dürfte auch das Reisen deutlich angenehmer machen. Zumal die Entwickler viel getan haben, um die Ladezeiten so kurz wie möglich zu halten. Bei aktiver Routenführung und gewähltem Zwischenstopp bringt das Thermomanagement der Batterie die Zellen schon vorab auf eine optimale Temperatur, so dass vor Ort besonders schnell geladen werden kann. Im Bestfall geht dies mit einer Leistung von 200 kW (Gleichstrom). In den ersten zehn Minuten können bis zu 150 Kilometer an neuer Reichweite "nachgetankt" werden. So zügig hat man nicht einmal seinen heißen Kaffee an der Raststätte ausgetrunken.
Wer länger lädt, kann sich zwischenzeitlich mit den kleinen Gimmicks beschäftigen, die BMW dem iX mit auf den Weg gegeben hat. Zum Beispiel Podcast hören. Oder mit der Innenraumkamera spielen. Schnappschüsse lassen sich über Sprache, Geste oder per Touch auslösen und über den Scan eines QR-Codes im Display mit dem Handy an Freunde schicken. Zudem ist die Kamera nützlich, falls sich mal jemand am iX zu schaffen macht, der dazu keine Berechtigung hat. Die Diebstahlwarnanlage schickt dann eine Nachricht aufs Smartphone des Besitzers. Ein Klick genügt, und man sieht, wer unbefugt hinter dem Lenkrad sitzt.
Was noch fehlt, wäre ein Streaming-Dienst, wie ihn Tesla anbietet, so dass man während des Ladens Netflix-Filme oder YouTube-Videos schauen kann. Produktmanagerin Carina Gärtner will noch nicht zu viel verraten, aber sie lässt durchsickern, dass es schon bald für den iX etwas Ähnliches nachgereicht wird – als Software-Update "over the air".