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Erste Fahrt im Byton M-Byte: Auf der "Liquid Road" in eine bessere Welt

03.09.2019 06:00 Uhr
Byton will schon nächstes Jahr seine Autos auch in Deutschland vertreiben.
© Foto: Byton

Auch wenn bislang vor allem von den riesigen Bildschirmen gesprochen wurde: Der Byton M-Byte ist nicht nur ein Smartphone auf Rädern. Das aussichtsreiche Elektroauto aus China soll auch beim Fahren Maßstäbe setzen.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

In seinem letzten Leben hatte Damian Harty einen eher schmutzigen Job. Als Fahrwerksentwickler beim englischen Prodrive-Team hat er vor allem Rallye-Wagen flottgemacht. Doch jetzt stürmt der Brite nicht mehr durch Wüste oder Matsch, sondern kämpft für eine saubere Zukunft. Denn Harty rollt am Steuer eines Prototyps des Byton M-Byte durch Santa Clara im Silicon Valley und arbeitet wenige Wochen vor der Weltpremiere des Serienautos auf der IAA in Frankfurt an der finalen Abstimmung des elektrischen Geländewagens, mit dem das chinesische Start-Up im nächsten Jahr zur Meute der Tesla-Jäger stoßen will. Mit einem Grundpreis von etwa 45.000 Euro, einer zeitgemäßen SUV-Silhouette und einem spektakulären Interieur zielt der M-Byte auf all jene Kunden, denen ein Model3 schon wieder zu konventionell oder Autos wie ein Mercedes EQC oder ein Audi e-tron zu teuer sind.

Bislang hat Byton vor allem mit seinen riesigen Bildschirmen von sich reden gemacht, die eine Mercedes A-Klasse oder ein Tesla Model 3 wie einen Oldtimer aussehen lassen. Und zuletzt waren die Chinesen mit dem plötzlichen Abgang ihres Chefs, dem ehemaligen BMW-Entwickler Carsten Breitfeld in den Schlagzeilen. Doch jetzt ist es an Männern wie Damian Harty und seinem Technikvorstand David Twohig, den Blick endlich aufs Auto zu lenken.

"Auch wenn Connectivity und das neue Bediensystem mit dem großen Screen quer vor der gesamten Frontscheibe für uns entscheidend sind, geht es am Ende bei einem Auto doch ums Fahren", sagt Twohig. Oder vielleicht eher ums Mitfahren. Denn erstens will Byton den M-Byte vom Start weg mit zahlreichen Assistenzsystemen ausrüsten, die dem Autopiloten so nahekommen, wie es die Gesetze aktuell zulassen, und ihn mit Updates over the air lieber früher als später ganz autonom fahren lassen. Und zweitens planen die Chinesen für 2020 zwar auch den Export nach Deutschland. Doch wird der in einem eigenen Werk in Nanjing produzierte Wagen wohl die allermeiste Zeit im Stau von Peking oder Shanghai oder allenfalls noch im streng tempobeschränkten Kalifornien unterwegs sein, sagt Twohig. "Fahrdynamik stand deshalb nicht ganz oben auf unserer Prioritätenliste".


Byton M-Byte Prototyp

Byton M-Byte Prototyp Bildergalerie

Harty und Twohig wollen eine betont komfortable Abstimmung und schwärmen von einem "Liquid Road"-Gefühl, mit dem man ganz entspannt durch den Alltag schwimmt. "Nur weil Elektroautos Sprintwerte erreichen wie Sportwagen, muss man sie schließlich nicht auch gleich so hart abstimmen", kritisiert Twohig die Konkurrenz. Dabei mangelt es natürlich auch dem M-Byte nicht an Power. Schließlich gibt es ihn schon in der Basis mit einem 200 kW / 272 PS starken Heckmotor und im Top-Modell mit einem zweiten, 110 kW / 150 PS starken E-Motor an der Vorderachse – bei zusammen mehr als 700 Nm ab der ersten Umdrehung reicht das beim Kickdown allemal für ein paar schwarze Striche auf dem Asphalt und für ein flaues Gefühl in der Magengegend.

Sanfter Riese mit bis zu 520 Kilometer Reichweite

Aber wer will das schon über die gesamten 520 Kilometer erleben, die mit den 71 oder 95 kWh großen Akkus im Wagenboden maximal möglich sein sollen? Eben! Wer mit Harty und Twohig im M-Byte unterwegs ist, erlebt den knapp fünf Meter langen Geländewagen deshalb tatsächlich als ausgesprochen sanften Riesen, der die schartige Fahrbahn glatt bügelt wie ein Tischtuch und in seiner souveränen Gemütlichkeit einem Bentley Bentayga deutlich näher ist als einem BMW X5. Nur an der Lenkung muss Harty noch ein bisschen feilen, weil sie arg gefühllos ist.

So richtig gut aufs Fahren konzentrieren kann man sich im M-Byte fürs erste allerdings ohnehin nicht. Denn zumindest auf den ersten Kilometern sind die Hände ständig versucht, auf dem Touchscreen herum zu streichen, der in der wie weiland im Citroën C4 fest montierten Lenkradnabe prangt, und der Blick wandert immer wieder auf den 48-Zoll-Bildschirm, der sich quer durchs gesamte Cockpit spannt. Zu neu und ungewohnt wirkt das alles, als dass man einfach einsteigen und losfahren möchte und man ist fast froh, wenn der Verkehr mal wieder ins Stocken gerät und einem so etwas Zeit lässt, sich mit der neuen Zeit anzufreunden. Dabei ist die Bedienung auch mit dem dritten Screen, der in der hohen Mittelkonsole zwischen den Sitzen montiert ist, kinderleicht und selbsterklärend. Wenn man sich am digitalen Dauerfeuer einmal satt gesehen hat und auf die Straße schauen will, schmälert der überraschend hoch aufregende Bildschirm die Aussicht und man ist dankbar, dass der Wagen ringsum Kameras hat und das Einparken ohnehin automatisch erledigt.

Dass Harty und Twohig so viel Wert auf eine familienfreundliche Abstimmung legen und ihre Hausaufgaben auch in der alten Welt gründlich machen, werden ihnen aber vor allem die Hinterbänkler danken. Zumal sie von der schönen neuen Welt im Elektroauto sonst nicht viel mitbekommen. Denn die Platzverhältnisse sind angesichts des riesigen Formats eher durchschnittlich und während man sich in der ersten Reihe fühlt wie Captain Future, gibt's die Digitalisierung hinten nur auf dem eigenen Smartphone oder über die Schulter des Vordermanns.

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