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Microcars: Warum die Leichtbauautos in der Kritik stehen

28.12.2024 06:03 Uhr | Lesezeit: 2 min
Microlino in Fahrt
Microlino in Fahrt.
© Foto: Microlino

Umweltfreundlich, günstig bei Anschaffung und Unterhalt, sympathisch und mit Parkplatzgarantie – Microcars bieten einige handfeste Vorteile. Doch der Sparzwang, dem diese Fahrzeuggattung unterliegt, schafft auch Probleme.

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Leichtbauautos, gerne auch Microcars oder Mopedautos genannt, machen seit Jahren von sich reden. Sie versprechen unter anderem einen geringen CO2-Fußabdruck und damit Vorteile für das Klima. Zudem sind sie vergleichsweise günstig und insbesondere die elektrisch angetriebenen Vertreter eine finanziell interessante Alternative zu teuren Elektroautos. Auch bei Fahranfängern stoßen die Winzlinge auf Interesse, denn schon 15-Jährige dürfen sich hinter das Steuer der langsameren L6e-Varianten setzen, wie beispielsweise dem Opel Rocks-e.

Oft werden die Leichtgewichte auch als vermeintlich sichere Alternative zu Rollern und 125er-Motorrädern angepriesen. Doch gerade das Thema Sicherheit ist auch die Achillesferse dieser Zwerge, denn sie unterliegen diversen Sparzwängen, die sie zumindest für ihre Nutzer auch gefährlich machen, wie ein aktueller Crashtest einmal mehr belegt.

Microcars ein "Horror-Erlebnis"?

Auslöser für die wiederentfachte Diskussion um die Sicherheit von Microcars war ein von der Fernsehsendung "auto mobil - das VOX Automagazin" in Auftrag gegebener und von der Prüfgesellschaft Dekra durchgeführter Crashtest mit den L6e-Vertretern Citroen Ami und Aixam Access. Beide Fahrzeuge wurden mit 45 km/h, also ihrer Höchstgeschwindigkeit, gegen ein stehendes Hindernis mit 40 Prozent Überdeckung gefahren.

Das Fazit der Dekra war erschreckend und angesichts der gezeigten Bilder der deformierten Fahrzeuge nachvollziehbar: Demnach wirken in einem solchen Szenario Kräfte auf den Fahrer ein, die als potenziell tödlich eingestuft werden. Der im November 2024 ausgestrahlte Fernsehbeitrag sorgte unter anderem mit Aussagen wie „Horror-Ergebnis“ für ein nicht unerhebliches und wohl auch gewünschtes Medienecho. Die weit verbreiteten Vorbehalte deutscher Autokäufer gegenüber dieser Fahrzeugklasse dürften nach diesem Beitrag nicht geringer geworden sein.  


Microlino 2.0 Vorstellung

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Microcars: "erhöhtes Verletzungsrisiko"

Die Kritik am unzureichenden Insassenschutz von Leichtkraftfahrzeugen hat in Deutschland eine schon längere Tradition. So warnte die Unfallforschung der Versicherer (UDV) bereits 2007 in einer gemeinsam mit dem Allianz Zentrum für Technik (AZT) erstellten Studie zur Sicherheit von Microcars: „Bereits bei Kollisionen mit „Stadtgeschwindigkeit“ besteht für den Fahrer ein erhöhtes Verletzungsrisiko“.

Diese kritische Haltung gegenüber den Kleinstfahrzeugen vertritt die UDV auch heute noch. Die Unfallforscher verweisen unter anderem auf zwei Crashtest-Kampagnen von Euro NCAP aus den Jahren 2014 und 2016, bei denen die insgesamt acht untersuchten Microcars durchweg mit „mangelhaft“ bewertet wurden. Die klare Empfehlung von Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer im GDV, lautet: „Vor dem Hintergrund dieser und unserer Forschungsergebnisse können wir zu L6e- oder L7e-Fahrzeugen nicht guten Gewissens raten.“ 


Mobilize Duo 80 Evo

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Der Verkehrsclub ADAC kann den Autozwergen ebenfalls kein gutes Zeugnis ausstellen, insbesondere in Hinblick auf ihre Insassensicherheit. Der letzte Crashtest, den der ADAC vor gut 20 Jahren mit einem Mopedauto durchführte, fiel ähnlich katastrophal wie die Dekra-Tests aus. Ebenso die Versuche, die der ADAC im Test-Konsortium Euro NCAP 2016 durchgeführt hat. „Unsere Experten sind sich aber weitgehend sicher: Würden wir den Crash heute wiederholen, kämen wir zu den gleichen Ergebnissen“, so Volker Sandner Leiter Fahrzeugsicherheit beim ADAC.  Immerhin bescheinigt der ADAC dem Microcar einen Sicherheitsvorteil gegenüber Klein- und Leichtkrafträdern, die vor allem von jungen Verkehrsteilnehmern genutzt werden.

Wo Microcars nicht zu empfehlen sind

Demnach bietet das Microcar durch Gurte und Karosserie einen besseren Schutz vor dem Sekundärcrash, bei dem Mopedfahrer in der Regel mit der Straße kollidieren. Dennoch überwiegen in der Bewertung des ADAC die Vorbehalte gegenüber der Mobilitätsalternative Microcar: „Wirklich empfehlenswert, vor allem für längere Touren und Nachtfahrten, sind die zudem nicht billigen Fahrzeuge aus unserer Sicht nicht. Für junge Leute in der Stadt wären sie vielleicht noch geeignet - aber die haben ja den ÖPNV. Dort, wo es keinen ÖPNV gibt, auf dem Land, sind die Microcars eher nicht zu empfehlen“, resümiert Sandner.

Wenn die Hersteller dieser Fahrzeuge hierzulande mehr Autos unters Volk bringen wollen, werden sie sich wohl stärker um mehr Insassenschutz kümmern müssen. Der Spielraum dafür ist allerdings eng, da die Fahrzeuge ohne Batterie nur 425 bzw. 450 Kilogramm wiegen dürfen. Zumindest einen kleinen Vorstoß in Richtung mehr Sicherheit hat die Renaultmarke Mobilize gemacht, die 2025 mit dem Duo und dem Bento zwei Nachfolger des Renault Twizy auf den Markt bringen wird, die mit vier Scheibenbremsen, Dreipunktgurten mit Gurtkraftbegrenzer sowie einem Fahrerairbag ausgestattet sind. Auf mehrere Airbags, ABS, ESP sowie verstärkte Karosserien und Knautschzonen darf man angesichts der Gewichtsbeschränkungen allerdings kaum hoffen.  

Sicherheitstechnik bei Microcars ist teuer

Soll die Insassensicherheit im künftig stärker berücksichtigt werden, bleibt der eigentlich sympathische Ansatz des ökologisch und ökonomisch vorteilhaften Leichtbau-Mobils problematisch. Zu gering ist der Spielraum, um eine ähnlich aufwändige Sicherheitstechnik zu integrieren, wie sie in der Pkw-Welt längst üblich ist. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte eigentlich nur die Einführung einer neuen Klasse bieten, die zwar dem Leichtbaugedanken verpflichtet bleibt, aber durch mehr Spielraum beim Gewicht auch mehr Spielraum für Sicherheitstechnik bietet.

Bei einer solchen "L8e"-Klasse bestünde dann das Problem weiter steigender Kosten, was zu deutlich höheren Preisen führen würde. Derzeit kosten die Einstiegsversionen von L6e- und L7e-Fahrzeugen zwischen 8.000 und 14.000 Euro und damit ein gutes Stück unterhalb der günstigsten Pkw-Modelle. Wollten die Leichtfahrzeuge sicherheitstechnisch mit den Pkw mithalten, müssten sie vermutlich auch preislich in Pkw-Regionen vorstoßen. Dann wären sie allenfalls eine preiswerte, aber finanziell nicht mehr wirklich attraktive Alternative zum klassischen Pkw.

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KOMMENTARE


Karl Seiler

27.01.2025 - 14:06 Uhr

Gegenrede zu Microcars: Warum die Leichtbauautos in der Kritik stehen: Zum Beginn gleich der Hinweis auf einen Fehler: Leichtfahrzeuge L6e dürfen zwar in Deutschland mit der Fahrerlaubnis AM ab 15 Jahren (in Frankreich schon ab 14 Jahren) gefahren werden - Leichtfahrzeuge L7e aber nicht ab 16 mit dem "kleinen" Motorradführerschein A1! Für L7e braucht man (noch) die erst ab 18 erhältliche Pkw-Führerschein-Klasse B. Seit 2 Jahren kämpfe ich zwar für die Erweiterung des für Zweiräder bis 11 kW Leistung und dreirädrige Fahrzeuge bis 15 kW gültigen Führerscheins A1 auf "drei und vierrädrige Fahrzeuge" - bisher aber erfolglos! Die Lücke in der Vorschrift nutzt derzeit nur der Ellenator, bei dem die Hinterräder auf 46 cm Abstand zusammengerückt werden (so dass sie als "ein Rad" gelten) und die Leistung auf 15 kW begrenzt wird. Mit der erweiterten Regelung "auch vierrädrige Fahrzeuge bis 15kW mit Führerschein A1"könnten (endlich) auch Auszubildende und Schüler ab 16 Jahren ohne die (von manchen Verkehrsbehörden nur sehr ungern gewährte und dann nur für bestimmte Stecken und Zeiten gültige) Ausnahmeregelung - vor allem auf dem Land ohne ÖPNV - zur Ausbildung oder in die Schule/zu Veranstaltungen (und auch privat) fahren. Ausbildungsbetriebe könnten dann auch L7e-Leichtfahrzeuge "für zwei Jahre" zur Verfügung stellen oder die Anschaffung unterstützen. Zu allen Sicherheitsbedenken wegen ungünstigen oder gar extrem negativen Crashtest-Ergebnissen bitte ich, die Leichtfahrzeuge eben nicht mit normalen Pkw zu vergleichen, sondern mit Zweirädern, die sie sehr häufig ersetzen (würden). Ein Zweiradfahrer ist selbst mit kompletter Schutzausrüstung (vom Helm bis zu Handschuhen/Stiefeln) schon bei einem einfachen Umkippen ("Sturz") mehr gefährdet, als in einer geschlossenen Karosserie! Diese schützt im Vergleich mit einem Zweirad auch vor Gefährdungen der Gesundheit bei Wind und Wettert. Auch beim Aufprall gegen ein Hindernis oder beim (von vorn, seitlich oder von hinten) Gerammt-werden ist die Schutzwirkung eines jeden L6e oder L7e – nicht zuletzt auch wegen der Sitze mit Kopfstützen und der Dreipunkt-Sicherheitsgurt – ebenfalls größer als die eines (höchstens teil-verkleideten) Zweirades. Schließlich sind zweispurige Fahrzeuge wegen ihrer Größe/Breite und mit jeweils 2 Scheinwerfern bzw. Rückleuchten für andere Verkehrsteilnehmer besser zu erkennen als Zweiräder. Beim Test eines "Mopedautos" durch den ADAC hieß es vor 20 Jahren: "Nach dem Aufprall flog der Tank durch die Gegend!" Damals antwortete ich schon: "Und beim Aufprall eines Zweirades wäre der Tank zusammen mit dem Motorrad/Roller durch die Gegend geflogen!" Heute bescheinigt Volker Sandner, Leiter Fahrzeugsicherheit beim ADAC, dem Microcar einen Sicherheitsvorteil gegenüber Klein- und Leichtkrafträdern, die vor allem von jungen Verkehrsteilnehmern genutzt werden. Wenn er ab er resümiert "Dort, wo es keinen ÖPNV gibt, auf dem Land, sind die Microcars eher nicht zu empfehlen“ erlaube ich mir die Frage: Womit sollen 15- bis 18-Jährige dann auf dem Land bei schlechtem Wetter bzw. im Winter fahren?" Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer im GDV, bezieht sich bei ihrer Kritik am unzureichenden Insassenschutz auf eine bereits 2007 (!) von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) und dem Allianz-Zentrum für Technik (AZT) erstellte Studie sowie auf zwei Crashtest-Kampagnen von Euro NCAP aus den Jahren 2014 und 2016: „Vor dem Hintergrund dieser und unserer Forschungsergebnisse können wir zu L6e- oder L7e-Fahrzeugen nicht guten Gewissens raten.“ Damals waren aber aktuelle elektrisch Leichtfahrzeuge der Klassen L7e und L6e noch nicht auf dem Markt! Immerhin freut es mich, dass Kirstin Zeidler nicht mehr antwortet wie ihr Amtsvorgänger Siegried Brockmann: Er war 2012 ein entschiedener Gegner des Vorschlags "Auf 80 km/h Tempo-begrenztes Autofahren ab 16". Dort argumentierte er „physikalisch“ mit angeblicher „Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch das höhere Gewicht von Kleinautos im Vergleich zu Zweirädern“ sowie mit "Jugendliche können auch auf dem Land zur Ausbildung und in die Schule mit motorisierten Zweirädern fahren." Schließlich beendete er das Gespräch mit: "Es gibt keinen Rechtsanspruch auf komfortablen Transport!"


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