Von Michael Lennartz
Als automobile Volumenmärkte haben China und die USA den Europäern längst den Rang abgelaufen. Aber heißt das auch, dass die vom Verband der Automobilindustrie (VDA) ausgerichtete Pkw-IAA in Frankfurt ihren Ruf als Leitmesse einbüßt und sich hinter die Automessen in Peking, Shanghai oder Detroit einreihen muss? Wohl kaum, obwohl die hohe Anzahl der Absagen diese Vermutung nahe legt.
Schließlich stehen eine ganze Menge illustrer Markennamen auf der Abwesenheitsliste. Allen voran der Fiat-Chrysler-Konzern, dessen deutsche Zentrale sogar noch ihren Sitz in Frankfurt hat. Dass neben Abarth und der ohnehin nur noch in Italien präsenten Marke Lancia aber auch die Volumenmarken Alfa Romeo, Jeep und Fiat in diesem Jahr nicht in Erscheinung treten, dürfte wohl vor allem pekuniäre Gründe haben. Ein offizielles Statement aus Turin gibt es zwar nicht, aber es ist bekannt, dass bei keiner anderen Automesse Aufwand und Kosten höher sind als bei der Leistungsschau auf dem Frankfurter Messegelände.
166 Euro kostet laut VDA-Preisliste ein Quadratmeter Ausstellungsfläche. Das bedeutet allein für die BMW-Halle 11 mit ihrem 12.000 Quadratmetern rund zwei Millionen Euro Miete – und da ist noch keine Spanplatte montiert, keine Hostess bezahlt. Für die von Mercedes okkupierte und umgebaute Festhalle gehen die Schätzungen der Gesamtkosten stets hoch in den achtstelligen Bereich hinein.
"Rationale Kosten-Nutzen-Rechnung"
Selbst wenn für Thomas Hausch, der Chef von Nissan Deutschland, bei einem kleineren Stand Mietkosten von vielleicht "nur" 400.000 Euro entstünden, redet er gar nicht um den heißen Brei herum: "Unsere Mittel für Sponsoring und Events in Deutschland sind begrenzt." Man müsse die "rationale Kosten-Nutzen-Rechnung" im Blick haben und habe in einer Entscheidung auf oberster Konzernebene einem Engagement als exklusiver Autosponsor in Essen bei der diesjährigen "Grünen Hauptstadt Europas" den Vorzug gegeben, um das Thema Elektromobilität voranzutreiben.
Einen Verzicht auf die IAA auch in Zukunft wollte er aber ebenso ausschließen wie PSA-Pressesprecher Stephan Lützenkirchen: "Wir stellen Automobilmessen generell nicht infrage, werden aber im konkreten Fall nur mit Citroen auf der IAA vertreten sein, weil wir für Peugeot und DS andere Wege für die Begegnung mit Interessenten und Kunden gewählt haben." Vor allem Veranstaltungen, bei denen der Kunde die Autos auch Probe fahren kann.
Zudem gäbe es über die sozialen Medien, Onlinekampagnen und digitale Werbeformen inzwischen effektivere Alternativen. Und mit seinem Hinweis auf die "inzwischen nicht mehr vertretbaren Hotelkosten" prangert er nebenbei auch die Kostenexplosion rund um die Automessen an. Dennoch erscheint es aus Imagegründen nicht gerade glücklich, dass ausgerechnet der neue Opel-Eigner Peugeot das "halbe Heimspiel" vor den Toren Rüsselsheims auslässt.
Detroit, Genf und China
Der schwedische Hersteller Volvo verzichtet bereits zum zweiten Mal nach 2015 auf die IAA, beschränkt sich weiter nur auf die "drei bedeutenden Messen in Detroit, Genf und China (Peking oder Shanghai) und nutzt das frei gewordene Budget lieber für eigene Veranstaltungen. Auch Mitsubishi belässt es bei drei Messeauftritten (allerdings Tokio statt Detroit) und setzt verstärkt auf "zielgerichtete Maßnahmen wie interaktives Marketing". Der edle Nissan-Ableger Infiniti pflegt ebenfalls nur noch einen Auftritt in Europa und zieht ebenfalls Genf dem Frankfurter Spektakel vor.
Nicht anders sieht es bei den Nobelmarken Aston Martin und Rolls Royce aus. Die Briten unterm BMW-Dach haben mit dem neuen Phantom zwar ein echtes Pfund auf Lager, mit dem sie wuchern könnten. Er wird aber nur am Vorabend der IAA-Pressetage den Medien vorgestellt. Einen eigenständigen öffentlichen Auftritt in der BMW-Welt wird es nicht geben.
Durch Abwesenheit glänzt auch General Motors, was nach dem Verkauf von Opel und dem marginalen Marktanteil von Cadillacs oder Chevrolet in Europa nur konsequent scheint. Dass Tesla Messen fürs eigene Marketing nicht nötig hat, ist auch nicht neu. Vor zwei Jahren waren die Kalifornier allerdings mit einem kleinen Stand zugegen.
Neue Bescheidenheit?
In erster Linie handelt es sich bei den Absagen also um Importeure, die auch befürchten könnten, dass sie bei der Massenveranstaltung, bei der deutsche Hersteller immer besonders mächtig auf den Putz hauen, um entsprechende mediale Erwähnung zu finden, schlicht und ergreifend untergehen.
Allerdings treten auch die Lokalmatadore mittlerweile etwas bescheidener auf. Die VW-Tochter Audi, die vor zwei Jahren noch für ihren IAA-Auftritt mit einer selbst aufgebauten Halle auf dem Agora-Gelände geschätzte 50 Millionen Euro ausgegeben hat, zieht in die Halle 3.0 zu ihren ganzen Konzernschwestern um. Und der großspurige Konzernabend, wie es ihn 2015 zum letzten Mal kurz vor der Enthüllung des Diesel-Skandals in der umgebauten Fraport-Arena noch gegeben hatte, wird in wesentlich demütigerem Rahmen ohne Stargäste wie Pink oder die Pet Shop Boys an Ort und Stelle auf dem Messegelände stattfinden.
Auch wenn die Halle 6 nun völlig verwaist ist und in Halle 4.0 kein Autohersteller mehr zu finden ist, sieht der VDA die internationale Reputation der IAA in keiner Weise beeinträchtigt. Es seien schließlich wieder über 50 Pkw-Marken angemeldet, die chinesischen Hersteller WEY und Chery feiern ihr Messe-Debüt auf der IAA und über 10.000 akkreditierte Journalisten aus aller Welt stehen selbstredend für die mediale Bedeutung der Messe, erklärt VDA-Sprecher Eckehart Rotter. "Wir haben die IAA zur weltweit wichtigsten Mobilitätsmesse konsequent weiter entwickelt, zeigen die ganze Bandbreite der Innovationen von der Digitalisierung über die Elektromobilität bis zu neuen Mobilitätskonzepten." In der New Mobility World als Teil der IAA würde man die Innovatoren aller Branchen zusammen bringen. Dass Facebook und Google mit am Start sind, sei der Beweis dafür.