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Audi R8: Tiefflieger im Tarnkleid

20.02.2015 17:31 Uhr
Gegenüber dem Vorgänger legt der R8 in der Leistung noch einmal deutlich zu: Schon das vorläufige Basismodell wird 540 PS leisten, das Spitzenmodell 610 PS
© Foto: Audi

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25.000 Exemplare in acht Jahren, jede Menge Design- und Technologiepreise und auf der Rennstrecke über 190 Siege – so ganz daneben kann Audi mit dem R8 nicht gelegen haben. "Warum also sollten wir an diesem Konzept etwas ändern", kokettiert der neue Quattro-Chef Heinz Hollerweger mit dem Erfolg seiner Vorgänger und stimmt damit zugleich auf eine Premiere ein, die wenig Überraschungen bieten wird. Denn während BMW sich mit dem i8 vom Sportwagen nach alter Väter Sitte verabschiedet hat und sich AMG mit dem Mercedes GT neu positioniert, bleibt auch der neue R8 ganz der alte, wenn er Anfang nächsten Monats auf dem Genfer Salon seinen Einstand gibt und nach den Sommerferien auf die linke Spur stürmt.

Das beginnt beim Design, das selbst dann keine nennenswerten Änderungen erwarten lässt, wenn man bei den getarnten Prototypen ganz genau hinschaut. Ja, die Scheinwerfer sind flacher und breiter geworden und blicken noch böser, erst recht wenn daraus das neue Laser-Fernlicht brennt. Der Single-Frame-Grill ist wieder etwas größer. Die seitlichen Blades für die Luftführung zum Mittelmotor sind jetzt zweigeteilt und stehen ein wenig weiter auf und das Dach fällt in einer längeren Linie ab. Aber selbst wenn der Erlkönig sein Tarnkleid ablegt, wird man den R8 sofort als solchen erkennen, verspricht Hollerweger. Man müsse schon alt und neu nebeneinander stellen, damit die Evolutionsschritte deutlich werden, ergänzt einer aus dem Team.

Genau wie die Designer haben sich auch die Entwickler streng an die DNA des Spitzensportlers gehalten. Es bleibt deshalb beim Aluminium-Space-Frame, beim Mittelmotor-Konzept, beim Allradantrieb und vor allem beim hochdrehenden Sauger. Denn während die Konkurrenz sich dem Diktat des Downsizings beugt, darf der R8 auch in Zukunft noch natürlich atmen. Hollerweger wollte das spontane Ansprechverhalten und die sensationelle Klangkulisse seines Motors nicht opfern. Und der Verbrauch ist bei so einem Modell doch für die Kunden genauso nebensächlich wie für die CO2-Bilanz des Herstellers. Also in die Tonne mit den Turbo-Gedanken und in die Kiste mit allen Kompressor-Überlegungen – es bleibt bei wunderbar unvernünftigen zehn Zylindern, deren Hubraum sich auf 5,2 Liter addiert.

Leistungsspritze

Gegenüber dem Vorgänger legt der R8 allerdings in der Leistung noch einmal deutlich zu: Schon das vorläufige Basismodell wird 540 PS leisten. Und wer den V10plus bestellt, kann im Autoquartett mit 610 PS und 560 Nm auch Konkurrenten wie den Porsche 911 Turbo S (560 PS, bis zu 750 Nm) oder den Mercedes AMG GT (510 PS, 650 Nm) übertrumpfen. Nur der Lamborghini Huracan liegt exakt gleich auf. Kein Wunder: Er ist ja auch eng mit dem R8 verwandt. Erst im Stechen sichern sich deshalb die Bayern den Sieg: Für den Sprint brauchen beide noch 3,2 Sekunden, aber bei 330 km/h Spitze fährt der R8 seinem italienischen Cousin mit immerhin fünf km/h Differenzgeschwindigkeit davon.

Die Kraftkur für den V10-Motor ist nicht das einzige, womit die Entwickler ihre Arbeit rechtfertigen. Genau wie am Motor haben sie auch in vielen anderen Gewerken kleine, aber entscheidende Änderungen vorgenommen: Im Alu-Spaceframe ersetzen ein paar weitere Karbonelemente einige Metallstreben und drücken das Trockengewicht des R8 um 50 auf 1.454 Kilogramm. Die Karosserie bietet weniger Luftwiderstand und vor allem mehr Downforce. Und der Allradantrieb hat jetzt mehr Spiel und kommt so dem Spieltrieb des Fahrers entgegen. Statt einer Visco-Kupplung steuert jetzt eine elektronisch geregelte Lamellen-Kupplung die Kraftverteilung und tut dies frei von jeder Einschränkung: "Wir können jetzt bis zu 100 Prozent der Kraft an die Vorder- oder die Hinterachse bringen", sagt Hollerweger.

Den stärkeren Motor, die leichtere aber trotzdem 40 Prozent steifere Karosse und den Allrad mit Gefühlsgarantie – diesen Fortschritt fühlt man erst beim Fahren. Aber wenn man hinter das Steuer rutscht, merkt schon im Stand, dass man in einem völlig neuen Auto sitzt. Und zwar nicht nur, weil man der Straße künftig nochmal einen Zentimeter näher ist und vier Zentimeter mehr Breite ein bisschen mehr Luft zwischen den Passagieren lassen. Vor allem, weil aus dem Lenkrad jetzt wie in der Formel1 vier weitere Bediensatelliten wachsen und dahinter das Virtual Cockpit flimmert, wie man es aus dem TT kennt. Das dient nicht nur dem schönen Schein und soll den neuen R8 moderner aussehen lassen. Vor allem wollte Projektleiter Roland Schala das Fahrzeug ganz auf den Fahrer fokussieren. "Die Augen bleiben auf der Straße und die Hände am Lenkrad – nichts lenkt den Fahrer von seinem Job ab", verspricht der Ingenieur.

Keine bösen Überraschungen

Mehr Kraft in einem leichteren Auto, weniger Luftwiderstand und mehr Abtrieb, die komplett variable Kraftverteilung zwischen beiden Achsen, ein adaptives Fahrwerk, die neue Ergonomie hinter dem Lenkrad und jetzt schon sieben Fahrprogramme, für deren Auswahl man nicht einmal die Hände vom Lenkrad nehmen muss – das alles mündet in einem Fahrerlebnis, das intensiver und sportlicher ist als je zuvor: "Der R8 ist viel, viel schneller geworden", sagt Frank Stippler, der als Audi-Werksfahrer heute den Chauffeur gibt und den Tiefflieger im Tarnkleid Runde für Runde schneller über die Teststrecke treibt.

Dabei beweist er in jeder Kurve, dass er mit dem größeren Tempo nicht den Sprintwert und auch nicht die Spitzengeschwindigkeit meint, sondern die vielen Sekunden, die der neue dem alten bei der Rundenzeit auf einer beliebigen Rennstrecke abnimmt. "Er lenkt besser ein, bleibt länger stabil und am Ende der Kurve kann man mit ihm noch besser beschleunigen", schwärmt der PS-Profi und taxiert den gefühlten Gewichtsgewinn auf mindestens 100 Kilo. Aber was noch viel wichtiger ist: "Das neue Auto ist bis in den Grenzbereich kinderleicht zu beherrschen und erspart einem böse Überraschungen."

Dass der neue R8 auf der Rennstrecke so einen guten Eindruck macht, liegt nicht allein daran, dass Männer wie Stippler an Entwicklung und Abstimmung beteiligt waren und kein anderer Audi so oft über Nordschleife & Co geprügelt wurde. Es liegt auch an einer neuen Entwicklungsphilosophie, sagt Quattro-Chef Hollerweger: "Beim ersten R8 haben wir erst das Serienauto auf die Räder gestellt und danach einen Rennwagen davon abgeleitet. Diesmal sind beide Autos parallel entstanden und haben sich gegenseitig stark beeinflusst", beschreibt er die neue Nähe. "Die hört mit dem Abschluss der Entwicklung nicht auf, sondern geht auch in Genf weiter", stellt Hollerweger in Aussicht. "Dort zeigen wir deshalb nicht nur ein Auto, sondern fahren gleich die ganze Familie auf die Bühne." (sp-x)


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