Volkswagen wird die vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselautos aus dem Konzern auf eigene Kosten nachbessern. Das Unternehmen habe sich einen Zeithorizont von wenigen Wochen gesetzt, in dem die Maßnahmen vorgestellt werden sollen, sagte ein VW-Sprecher in Wolfsburg. Aus dem Bundesverkehrsministerium hieß es am Sonntag, das Kraftfahrtbundesamt habe VW aufgefordert, bis zum 7. Oktober einen verbindlichen Zeitplan vorzulegen, bis wann die Fahrzeuge auch ohne Manipulationssoftware die Abgas-Verordnung einhalten können. Auch aus dem Ausland kommt Druck.
Die gute Nachricht für verunsicherte Besitzer der betroffenen Dieselautos: VW wird für die Nachbesserung aufkommen. Das Unternehmen habe sich einen Zeithorizont von wenigen Wochen gesetzt, in dem die Maßnahmen vorgestellt werden sollen, sagte ein VW-Sprecher am Samstag in Wolfsburg. Zuvor hatten sich Forderungen nach einem schnellen Rückruf der Autos gehäuft. Vor gut einer Woche hatte die US-Umweltbehörde EPA mitgeteilt, Volkswagen habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes bei Abgastests zu manipulieren. Die betroffenen elf Millionen Fahrzeuge weltweit seien identifiziert. "Ich denke, dass die Händler ab nächster Woche aussagefähig sind", sagte der VW-Sprecher mit Blick auf verunsicherte Kunden. Die Autohalter könnten mit den betroffenen Fahrzeugen zunächst einmal fahren. Sie würden alle angeschrieben.
Das Vorgehen bei der Beseitigung der Softwarefehler werde für die einzelnen Märkte mit den jeweiligen Behörden abgestimmt. "Das kann eine Rückrufaktion sein, aber auch eine Serviceaktion." Die Kosten für die Nachbesserung werde Volkswagen übernehmen. Wie hoch diese für den Autobauer sein werden, stehe noch nicht fest. "Es sind gewaltige Kosten, aber es ist völlig selbstverständlich, dass die Kunden nicht auf den Kosten sitzengelassen werden."
"Ermitteln auf Hochtouren"
Der neue Volkswagen-Chef Matthias Müller hat den weltweit rund 600.000 Beschäftigten des Konzern eine umfassende Aufklärung des Abgas-Skandals zugesichert. "Wir klären jetzt schonungslos auf", heißt es in einem Brief an die Mitarbeiter, der dem "Handelsblatt" vorliegt. Zusammen mit Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh weist Müller auch auf den Ernst der Lage hin. "Unser Unternehmen steht vor nie dagewesenen Herausforderungen", betonen beide. Man werde alles tun, um das Vertrauen der Kunden, Partner, Investoren und der gesamten Öffentlichkeit Stück für Stück zurückzugewinnen. Neben der Aufklärung werde es eine der wichtigsten Aufgaben sein, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommen könne. "Dazu werden wir die strengsten Compliance- und Governance-Standards der gesamten Branche entwickeln und umsetzen. Auch hier müssen wir in Zukunft Maßstäbe setzen."
Verantwortliche haben offenbar schon vor mehreren Jahren Kenntnis vom Einsatz rechtswidriger Software in Dieselautos des Konzerns gehabt. Das legt ein Bericht der internen Revision bei Volkswagen nahe, über den mehrere Zeitungen am Sonntag berichteten. So habe schon 2011 ein Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass die Software einen Rechtsverstoß darstellen könnte, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" unter Verweis auf den Prüfbericht. Dieser Bericht sei dem Aufsichtsrat bei seiner Sitzung am Freitag vorgelegt worden. Er gebe aber keine befriedigenden Antworten, warum die Warnung vor dem illegalen Tun in den Hierarchien versandet sei. Sollte Managern nachgewiesen werden, dass sie in den Skandal direkt verwickelt sind, müssten sie mit strafrechtlichen Konsequenzen und Schadenersatzforderungen rechnen.
Ein Volkswagen-Sprecher wollte den Bericht am Sonntag nicht kommentieren. "Wir ermitteln auf Hochtouren und werden die Ergebnisse, sobald wir sie haben, bekanntgeben", sagte VW-Sprecher Peter Thul.
Die "Bild am Sonntag" berichtete, bei den Untersuchungen in der Abgas-Affäre sei die interne Revision des Fahrzeugherstellers auch auf ein brisantes Dokument gestoßen. Der Zulieferer Bosch habe schon 2007 in einem Schreiben an den VW-Konzern vor einer illegalen Verwendung seiner Technik zur Abgasnachbehandlung gewarnt. Bosch habe die Software an VW geliefert, die allerdings nur für Testzwecke und nicht für den normalen Fahrbetrieb vorgesehen gewesen sei. Der Zeitung zufolge teilte der Zulieferer damals den Wolfsburgern mit, dass der geplante Einsatz gesetzeswidrig sei. Bosch äußerte sich am Sonntag nicht dazu. "Wir sind gegenüber VW zu Vertraulichkeit verpflichtet", sagte ein Bosch-Sprecher in Stuttgart.
Kritik an der Bundesregierung
Zunehmende Kritik gibt es an der Bundesregierung. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kritisierte in der "Welt": "Die Bundesregierung hätte Hinweisen auf Manipulationen bei der Motorsteuerung längst nachgehen und genauer hinschauen müssen." Sein Bundesland habe sich früh gefragt, "warum im Ballungsraum Stuttgart die Belastung mit Feinstaub und Stickoxiden jenseits aller Grenzwerte liegt, obwohl die Autos doch angeblich immer besser werden."
Die "Welt am Sonntag" berichtete, die Bundesregierung wolle die Einführung strengerer Abgastests in der EU verzögern. Deutschland wolle erreichen, dass der neue Testmodus nicht wie geplant Ende 2017, sondern erst 2021 eingeführt werde, schrieb die Zeitung unter Berufung auf ein internes Positionspapier. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte dazu, das Jahr 2021 sei "keine realistische Option, wir erwarten eine schnellere Umsetzung". Deutschland wirke seit 2011 an der Entwicklung des Verfahrens auf europäischer Ebene mit. Ein Verordnungsvorschlag der EU-Kommission werde voraussichtlich dieses Jahr vorgelegt, auch bezüglich des Zeitplans der Einführung.
Ärger hat Volkswagen nicht nur in Deutschland und den USA. Die italienische Regierung will im Zuge des Abgas-Skandals landesweit 1.000 Fahrzeuge des Konzerns stichprobenartig untersuchen lassen. Das Schweizer Bundesamtes für Straßen hatte am Freitag sogar ein vorübergehendes Zulassungsverbot für Fahrzeuge mit dem betroffenen Motor angekündigt. Es soll diesen Montag in Kraft treten. In Belgien hat der VW-Importeur D'Ieteren 3.200 Diesel mit dem fraglichen Motor EA 189 vorsorglich vom Markt genommen. (dpa)