Nach dem Ende der Subventionen kommt viel Bewegung in den Markt namens Elektromobilität. Im Wesentlichen muss nun der Markt (Hersteller, Händler, Leasinggeber) dafür sorgen, dass der Umstieg zum E-Auto vielen leichtfällt. Dafür sind vor allem die Hersteller zuständig, und die geben, blickt man allein auf den VW-Konzern, mächtig Gas. Zahlreiche Modelle mit E-Motor sorgen dafür, dass für den Tausch (Verbrenner zu Stromer) das klassengleiche Modell zur Verfügung steht. Kein unwichtiger Punkt in der Fuhrparkwelt.
Doch - und hier beginnt Ihre Arbeit, liebe Fuhrparkleiter - passt nicht jede Car Policy für das E-Zeitalter, indem neben der Antriebstechnik auch ein neuer Betriebsstoff (Strom) hinzukommt.
- Restwerte: Wie Gebrauchtwagen ein Teil der Lösung werden
- Restwerte: Wie "functions on demand" den Autohandel beeinflussen
- Leasing: Warum die Raten für Elektroautos jetzt steigen
Nun weiß jeder, der etwas länger mit Stromern unterwegs ist, dass es immer noch erhebliche Realitätslücken im Vergleich zu den Papierwerten gibt. Beim Ladetempo, bei der Ladekurve, bei der Reichweite im Winter, bei der Lieferfähigkeit von Ersatzteilen, bei der Wirksamkeit von Over-the-Air-Updates etc. Deshalb ist eine risikomindernde Finanzierung der Stromer immer eine gute Idee. Diese heißt Leasing und deckt jetzt schon den überwiegenden Teil der surrenden Flottenneuzugänge ab. Die Basis für diese Art der Fremdfinanzierung, denn Eigentümer bleibt der Hersteller, sind stabile Restwerte, die eine auskömmliche monatliche Leasingrate garantieren.
DAT-Report: Neutraler Blick
In Bezug auf die Elektromobilität passierte Anfang des Jahres 2023 genau das Gegenteil: Nachdem einige wenige Mitbewerber den Sales-Button allzu oft betätigten, erfuhr der Preisverfall der Stromer ungeahnte Dynamik. Große Vermieter, die die Fahrzeuge sehr schnell drehen, traten deshalb spürbar auf die E-Bremse in der Stromer-Flotte. Statt möglichst schnell CO2-neutral zu werden, heißt es nun, das Ohr am Kunden zu haben. Die Kundschaft entscheidet, wie viel sie für die E-Mobilität zahlen möchte. Auf der anderen Seite hält der staatlich verordnete sinkende Flottenverbrauch den Verkaufsdruck seitens der Autoproduzenten hoch. Damit tut man sich im Zweifel erst mal selbst den größten Gefallen, die E-Quote zu steigern. Kurzum: Es ist kompliziert, und da hilft ein neutraler Blick von außen. Diesen hat, sofern es sich um die Restwertentwicklung handelt, die Deutsche Automobil Treuhand - DAT.
Wer erfahren möchte, wie das Team in Ostfildern seine Gebrauchtfahrzeugwerte und Prognosen erstellt, sollte am besten mit Martin Weiss reden. Die "Coca-Cola-Formel der Datenexperten", allein rund 30 kümmern sich um die Fahrzeugbewertungen, ist etwas Besonderes.
Das wird am Bouquet deutlich, welches die Daten-Quellen beschreibt. Etwas heraus ragt aus dem Strauß die Menge der realen Transaktionspreise. Sprich: Zu welchem tatsächlichen Preis wurde ein Gebrauchtwagen von einem Händler an einen Endkunden verkauft? Wichtig sind hier die Worte "Gebrauchtwagen", "Händler" und "Endkunde". Denn wer nur auf Gebrauchtwagenbörsen schaut, findet zwar einen Angebots-, aber keinen Verkaufspreis.
"Das ist der Blick oberhalb der Wasseroberfläche", wie es Weiss umschreibt. Denn zum einen ist es nicht leicht zu erkennen, welche detaillierte Ausstattung das online angebotene Auto hat, und zum anderen, zu welchem Preis es letztendlich auch verkauft wurde. Ob das online inserierte Vehikel dann von einem privaten Verkäufer oder einem Händler stammt, interessiert nicht alle Käufer (außer beim Punkt "Garantie"), aber es ist für das Abbilden des Marktgeschehens wichtig, denn Händler fungieren als Partner der Hersteller, was wiederum Auswirkungen auf die Neuwagenpreise hat. Also: echte Transaktionspreise von Fahrzeugen ohne Schäden mit einer (Händler-)Garantie. Das ist ein vergleichbarer Wert und "das ist der Blick unterhalb der Wasseroberfläche", wie Weiss ergänzt. Hier wird es spannend und kleinteilig zugleich.
Woher kommen nun diese echten Preise? Zum einen über die DAT-Software (SilverDAT). Diese nutzen die meisten Händler und steuern damit auch ihre Gebrauchtwagengeschäfte. In Ostfildern landet davon eine Fahrgestellnummer, ein DAT-Europa-Code, der Kilometerstand, die Serien- und Sonderausstattung, der Tag der Erstzulassung und der erzielte Verkaufspreis. Also die wichtigsten Punkte in der Vita eines Automobils.
DAT-Report: Daten der Händler
Die zweite Blume im Strauß sind die Datenbanken der Hersteller und Importeure. Zwar sind der Hersteller- (VDA) und der Importeurs- (VDIK) sowie der Händler-/Werkstatt-Verband (ZDK) Gesellschafter der DAT, aber die Schwaben agieren eben als Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Akteuren der Autobranche, sodass deren Neutralität einem Bestandsschutz gleichkommt.
Viele Autoproduzenten oder Händlerverbände sammeln die Verkaufspreise über deren Dealer-Management-Systeme und teilen diese Infos mit dem Dienstleister per Schnittstelle. Die Motivation liegt darin, dass so eine möglichst akkurate Abbildung des Marktes erstellt werden kann, die den Händlern und Herstellern (hier lautet wieder das Stichwort: Leasing-rate) nützt. Je mehr Daten zur DAT fließen, desto genauer kann der Markt abgebildet werden. Davon profitieren alle Akteure der Branche.
Der dritte Blumenzweig sind Angebotspreise der großen Verkaufsplattformen, welche ebenfalls in den Strauß mit eingestreut werden (wiederum per Schnittstelle und nicht als Datencrawler im Internet). Auch hier wird der "Daumenabdruck des Autos", seine Fahrgestellnummer, mit übertragen, sodass alle Infos zu den verbauten Standards und Extras vorhanden sind. Dadurch kann man auch auf Fahrzeugebene sehen, wie ein Fahrzeug angeboten und letztendlich verkauft wurde. "Das ist es, wo bei uns die Magie stattfindet", lacht Weiss und ergänzt: "Nur so kann man antizipieren, wie nun angebotene Fahrzeuge am Ende tatsächlich verkauft werden."
Alles neu zusammengestellt
Mit der Fahrgestellnummer ist eine Abfrage an den Produktionsserver des Herstellers verbunden. Anhand der Abfrage setzt das Datenteam die Fahrzeuge virtuell neu zusammen, denn nicht in jedem Verkaufsprozess herrscht diese Transparenz, was unter dem Lackkleid wirklich verbaut ist.
Diese Offenheit braucht es aber, um zu bewerten, welche Extras oder Ausstattungspakete wirklich gefragt sind oder welche Extras kaum Käufer finden. Nach dem virtuellen Neuaufbau werden die Kilometerstände im Sinne der Vergleichbarkeit harmonisiert. Dann gehen diese Werte in die eigenen Tools, mit denen die Marktbeobachter dann in der Realität agieren (Plausibilitätsprüfungen), sprich, sie sorgen für Marktabgleich und, wenn nötig, Preisanpassungen.
So kann man den durchschnittlichen Verkaufspreis von sehr vielen Gebrauchten mit den eigenen Werten vergleichen und damit auch die eigene Vorhersage der Restwertprognosen genauer machen - wie ein lernender Algorithmus. Nur so können sich Angebot und Nachfrage näher kommen. So entsteht neben den tatsächlichen Marktpreisen auch die Restwertprognose für ein spezielles Auto - bei Bedarf für bis zu sechs Auto-Lebensjahre.
Die Marktbeobachter sind übrigens nach Auto-Segmenten aufgeteilt, sodass sie das Marktgeschehen anhand der Entwicklungen ihrer Klasse (City Cars bis Oberklasse und Sportwagen, aber auch Motorräder, leichte und schwere Nutzfahrzeuge oder Busse) sehen, verstehen und in die Zukunft projizieren können. Das ist der menschliche Teil dieses sonst hoch automatisierten Ablaufs.
DAT-Report: "Überfettung" der Autos
Das B2C-Geschäft deckt der jüngst 50 Jahre gewordene "DAT-Report" ab. Zudem begleiten die DAT-Experten die Automobilhersteller bereits mehrere Jahre vor dem Launch neuer Modelle, um diese optimal am Markt (zum Beispiel Deutschland) platzieren zu können. Denn nicht in jedem Land greift die Herstellerlogik für eine gewisse Ausstattung.
So kam es vor, dass erst mit dem Facelift-Modell doch ein Heckscheibenwischer ans Auto kam (den es vorher nicht gab), oder ein Hersteller packte die hochwertige 360-Grad-Kamera ins Grundmodell, was den Preis unnötig nach oben trieb. Beim letzten Beispiel spricht Weiss vom Trend der "Überfettung" der Fahrzeuge, was sich nicht immer positiv in der Wiedervermarktung niederschlägt.
Eine besondere Rolle nehmen hier die E-Fahrzeuge ein, die den Datenexperten auch langfristig nicht auf dem Preisniveau der Verbrenner sehen. Die Preise der E-Modelle sind gerade stark unter Druck - und Stand Mitte des Jahres sieht Weiss noch keine Haltelinie für einen weiteren Preisverfall der Stromer. Seine Erklärung: Die preisliche Marktverschiebung nach oben war in den vergangenen zwei Jahren künstlich durch die Verknappung entstanden. Nun ist auffällig, dass die Nachfrage nach E-Autos neu und gebraucht eher schleppend verläuft. Die Preise der Stromer hingen und hängen stark von externen Faktoren ab. Bis zum Jahreswechsel war es die Förderung, jetzt sind es die Preisanpassungen der Hersteller oder die immer noch geltenden steuerlichen Vorteile etwa in der Versteuerung als Dienstwagen.
Kurzfristig sehen die Experten aus Ostfildern, dass gerade im Gebraucht-E-Markt eher die günstigen Fahrzeuge weggehen und die teuren beim Händler oder Hersteller bleiben. Wenn man also nur auf den Durchschnittspreis der angebotenen Fahrzeuge schauen würde, könnte man meinen, dass alles in Ordnung ist oder die Preise sogar leicht steigen. Wer also Statistiken mit Durchschnittspreisen sieht, sollte die genaue Zusammensetzung des Fahrzeug-Pools beachten.
Ruhe bewahren
Die Restwerte sind eben die Standardwährung für viele im Autohandel, gerade im B2B-Bereich. Deshalb steigt dort in (Absatz-)Krisenzeiten auch die Nervosität. Während des Diesel-Skandals und zu Beginn der Corona-Pandemie riefen deshalb die Händler reihenweise in Ostfildern an, um anzuregen, dass die Gebrauchtwagenpreise doch massiv gesenkt werden sollten. Die Reaktion darauf war: Ruhe bewahren. Auf die eigenen Daten schauen. Und erst, sobald der Verkaufspreis tatsächlich sinkt (in realen Verkäufen), wird der Restwert angepasst. Nicht vorher. Im Fall der Pandemie sanken nämlich nicht die Preise, sondern sie stiegen in bis dato unbekannte Höhen, denn auf Corona folgte der Chipmangel. Damit erfasste jene ungewohnte Dynamik den Gebrauchtmarkt, die noch nicht vollends wieder eingefangen ist.