Im Sommer 2019 haben Volkswagen und seine Industriepartner aus den Bereichen Gasversorgung, Netz- und Tankstellenbetrieb in Berlin einen Überblick über den Status quo und die Zukunft von Erdgas-Mobilität gegeben und die neuesten CNG-Modelle des Konzerns im Pkw-, Lkw- und Bussegment vorgestellt. Wir sprachen mit Stephen Neumann, Volkswagen-Konzernbeauftragter CNG-Mobilität.
Herr Neumann, die E-Mobil-Offensive bei VW läuft gerade an und gleichzeitig startet der Konzern mit einer Flotte von neuen CNG-Fahrzeugen. Was soll damit erreicht werden?
S. Neumann: Sie wissen, dass die E-Mobilität unsere Leittechnologie ist, weil es die effektivste Methode ist, eine CO2-neutrale Mobilität zu erreichen. Die Energie wird sehr effizient genutzt. Wir haben Nullemissionen. Das ist für uns eine vollständige Transformation. Es gibt aber auch Alternativen, die vom klassischen Verbrenner abgeleitet werden. CNG ist heute schon als umweltfreundliche Energie verfügbar. Das ist bereits heute verfügbarer Umwelt- und Klimaschutz. Wir haben keine exorbitanten Kosten, das Geschäftsmodell stimmt, die Betriebskosten sind mit dem Diesel vergleichbar. Der Kraftstoff ist günstig und sauber. Die Abgasemissionen sind extrem niedrig. Gleichzeitig haben wir den Vorteil, dass man Methan aus verschiedenen Quellen beziehen kann und es bringt heute schon Vorteile gegenüber Diesel- und Benzinmotoren beim CO2-Ausstoß. Man kann CNG außerdem CO2-neutral aus Abfällen, wie Klärschlamm, erzeugen. Aus CO2 und Energie zum Beispiel aus überschüssiger Windkraft lässt sich außerdem synthetisches Methan herstellen.
Welchen Anteil an CNG-Fahrzeugen halten Sie für realistisch?
S. Neumann: Wenn wir über die Mobilität sprechen, geht es immer darum, möglichst CO2-neutral zu fahren. In Europa steht biogenes Material ausreichend zur Verfügung, um zwischen vier bis fünf Millionen Fahrzeuge, mit entsprechenden Anstrengungen sogar bis zu acht Millionen, mit Biogas zu versorgen. Zirka fünf Millionen sind auch meine Erwartungshaltung, was die Durchsetzung dieser Technologie betrifft. In 2018 konnten wir den Bestand an CNG-
Fahrzeugen bereits um fünf Prozent steigern. In Europa haben sich die Zulassungen im vergangenen Jahr verdoppelt.
Welche Rolle wird Deutschland dabei spielen?
S. Neumann: Wir haben 2017 einen Industriekreis CNG-Mobilität gegründet mit dem Ziel, gemeinsam den Markt zu entwickeln und bis 2025 insgesamt rund eine Million Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Es tut sich inzwischen sehr viel in Europa. Diese Million lässt sich also auf andere europäische Länder skalieren. Die Ziele sind sicher ambitioniert, aber nicht unrealistisch.
Dann werden auch möglichst viele Tankstellen benötigt?
S. Neumann: Die Infrastruktur muss sicher deutlich wachsen. In Deutschland ist eine Grundversorgung vorhanden. Der Ausbau muss aber auch hier eher qualitativ als quantitativ fortgesetzt werden. Tankstellen sind damit kein K.O.-Kriterium. Unsere neuen Fahrzeuge verfügen jetzt über drei CNG-Tanks und einen weiteren, kleineren Benzintank. Die Reichweiten gehen in Richtung 400 Kilometer mit CNG. Wer mit Erdgas fährt, vermeidet den Betrieb mit herkömmlichem Kraftstoff.
Wie sieht das Tankstellennetz aus?
S. Neumann: Derzeit gibt es knapp 900 Tankstellen in Deutschland. Mehr als 1.000 wären gut. Es macht aber nicht die Menge, sondern der Standort ist entscheidend. Langfristig bräuchten wir dann 2.000, die es in Italien übrigens schon gibt. Der Netzausbau wird auch von der EU gefördert, da man erkannt hat, wie wichtig CNG für die Energiewende ist.
Gas ist ja wie Strom nichts Neues als Betriebsstoff im Automobil. Warum hat sich die CNG-Technologie nie wirklich durchgesetzt?
S. Neumann: Es war einfach nicht erforderlich, sich über diese Alternative Gedanken zu machen. Die Vorteile sind und waren in der Öffentlichkeit nicht so präsent. Deshalb haben wir diese Initiative gestartet, um die positiven Eigenschaften in die Öffentlichkeit zu tragen.
Findet das schon seinen Niederschlag?
S. Neumann: Viele Leute sind aufgrund der verschiedenen Alternativen derzeit sicher überfordert. Es geht eben darum, die Argumente immer zu wiederholen. Es scheint auch latent gewisse Berührungsängste zu geben, die allerdings völlig unbegründet sind. Das können sie als Automobilhersteller alleine nicht schaffen, dazu benötigt man das Commitment der Politik.
Wie ist die Akzeptanz beim Käufer? Sind gewerbliche Kunden eher bereit, in diese Technik zu investieren?
S. Neumann: Für beide Kundengruppen geht es um die Kostenseite. An zweiter Stelle steht die Umweltfreundlichkeit der CNG-Fahrzeuge. Gerade hinsichtlich der Betriebskosten liegt CNG bei 1, Diesel bei 1,3 und Benzin bei 1,5. Der Verbrauch gegenüber Diesel ist um zehn Prozent niedriger. Die Politik könnte helfen, wenn der Preis für Erdgas an der Tankstelle nicht in Kilogramm, sondern in Liter angegeben werden würde. Hier geht es um die Änderung des Eichgesetzes.
Was sind Ihre wichtigsten Partner bei dieser Initiative?
S. Neumann: Am wichtigsten sind die Partner der Energiebranche, also alle, die in der Gaswirtschaft eine Rolle spielen. Es geht ja nicht nur um die Produktion, sondern auch um die Transportnetze und die Tankstellenbetreiber. Der Markt ist extrem reguliert. Wir brauchen hier Rahmenbedingungen, die verlässlich sind.
Herr Neumann, herzlichen Dank für das Gespräch!
Interview: Ralph M. Meunzel
www.autoflotte.de/cng
Autoflotte veanstaltet im November zwei Erdgas-Infotage an. Im Raum Frankfurt und südlich von München bieten wir Ihnen die Möglichkeit, alle Seat CNG-Modelle zu testen.
- Ausgabe 10/2019 Seite 56 (143.3 KB, PDF)