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Leuchten gegen die Nebelkerzen

26.02.2015 11:30 Uhr

Wenn es um den Einsatz von Stromern geht, fehlt es vielerorts an Mut, den Fuhrpark jenseits des Vorstands zu elektrifizieren. Das Beratungshaus Bridging IT macht es einfach. Mit allen Konsequenzen.

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_ Elektromobilität ist nach reiner TCO-Betrachtung tot. Das sagt kein Stromer-Skeptiker, sondern der Betreiber der momentan wohl größten vollwertigen Firmenwagenflotte von E-Fahrzeugen. Klaus Baumgärtner ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Bridging IT und setzt auf das Oberklasse-Stromermodell Tesla Model S.

Nicht weil die kalifornische Ikone besonders hip ist - was zum Großteil nur Vorstände beurteilen können. Sondern weil der US-Autobauer eine reale, rein elektrische Reichweite jenseits eines 200-Kilometer-Radius garantieren kann. So ist aus Sicht von Baumgärtner das Model S momentan das einzige voll elektrische Fahrzeug, das den Ansprüchen eines Dienstwagens genügt. "Der unverbaute Blick auf die Realität der Elektromobilität zeigt, dass eigentlich alle Beteiligten aufeinander warten - sei es auf Sonderabschreibungen oder auf Produkte der OEMs. Wir wollten nicht mehr warten, sondern einfach loslegen", erzählt der 45-jährige Geschäftsführer.

Komplettumbau

Mit dieser Aktion kann man anecken, aber Bridging IT will mit dem Start von zehn Tesla-Neuzugängen in der Flotte mehr als nur werbewirksam provozieren. Das Beratungsunternehmen will nicht nur Teile des Fuhrparks elektrifizieren, sondern die gesamte Firmenwagen-Policy endlich auf die grünen Prozesse umstellen. Eine Mammutaufgabe möchte man meinen.

Alles eine Frage der Planung und des Willens, es wirklich konsequent zu versuchen, kontert Baumgärtner. Seine zentrale Losung lautet: Der Flottenchef ist im E-Zeitalter kein TCO-Verwalter mehr, sondern wird zum Mobilitätsmanager. So konsequent wie das aus Mannheim stammende und bundesweit aktive Netzwerk elektrifiziert wohl keine Firma ihre Flotte, besser gesagt krempelt alle Strukturen um, sodass der Umstieg von Verbrennermotor auf Batterie nicht für jene im Frust endet, die die Adressaten dieser grünen Politik sind: die Firmenwagennutzer.

Beginnen will Klaus Baumgärtner den Einblick in das ehrgeizige Projekt mit einer Analyse: "Wer großflächig elektrifizieren möchte, muss in die gewerblichen Flotten", betont der Geschäftsführer und richtet diesen Appell an die deutschen Hersteller. 2010 setzte sich Bridging IT erstmals CO2-Ziele in der Car Policy - damals waren es 180 Gramm CO2 je Kilometer - und war auf der Suche nach heimischen Stromern. Das erste E-Fahrzeug war ein Smart ED, ein Vorserienfahrzeug aus einem Forschungsprojekt. "Er hat funktioniert, aber für die Dienstwagenflotte war er nicht praktikabel", urteilte Baumgärtner. Also behalf man sich im Fuhrpark, der mittlerweile aus 130 Fahrzeugen besteht, mit Plug-in-Hybriden.

"Da unsere Kunden in der Regel deutsche Großkonzerne sind, ist unsere Flotte ein klassischer OEM-Fuhrpark von deutschen Fabrikaten. Also testeten wir 2013 den Mercedes E-300 Plug-in-Hybrid-Diesel, der mittlerweile mit elf Stück im Fuhrpark vertreten ist. Für den Plug-in mussten keine Budgets angepasst werden, denn die Kosten passten in unsere Car-Policy, sodass dieser Umstieg einfach vonstattenging", berichtet Baumgärtner. Aber zufrieden war der Berater damit noch nicht. Denn das Unternehmen mit 300 Mitarbeitern will nicht nur durch Symbolpolitik die vielerorts zur Schau gestellte "grüne DNA" eines Unternehmens unterfüttern. Vielmehr will man die Lücke zwischen den angebotenen Fahrzeugen mit Stecker und den Dienstwagen-Vorteilen von konventionellen Verbrennern überbrücken. Und dieser Übergang setzt nicht bei den Produkten an, sondern bei den Prozessen.

Stromertauglichkeit

Mit einer mehrjährigen Beratungserfahrung im Bereich Smart-Energy und Smart-Mobility ausgestattet und dem Ziel den "real existierenden Dienstwagen-Fuhrpark" mit den Mobilitätsbedürfnissen der firmenwagenberechtigten Mitarbeiter zu vereinen, startete die Teilelektrifizierung des Fuhrparks unter folgenden Rahmenbedingungen: Von den 300 Mitarbeitern sind 150 firmenwagenberechtigt. Das Mobilitätskonzept besteht aus drei Handlungssträngen.

Zum einen gibt es den klassischen Dienstwagen (drei Jahre, Full-Service-Leasing, zwei Drittel berufliche und ein Drittel private Nutzung, 35.000 km p. a.). Der zweite Handlungsstrang besteht aus der Bahn-Card 100 (1. Klasse) sowie einem persönlichen Mobilitätsbudget (2.000 Euro jährlich). Und die letzte Variante ist ein Kurzstreckenfahrzeug (Elektroauto- oder Kleinwagen, maximal 250 Euro monatliche Leasingrate, 36 Monate, 10.000 km p.a.) sowie eine Bahn-Card 100 (2. Klasse).

i3 statt 320 Touring

Von den gut 150 Dienstwagenberechtigten nutzen rund 130 die erste Option, also das klassische Firmenauto. Den 106 Diesel-Fahrzeugen stehen momentan zehn Tesla Model S, elf Mercedes E-Klasse Plug-in-Hybrid sowie drei kleine Stromer (BMW i3 und Smart ED) gegenüber.

Der Grundsatzfrage, welche E-Fahrzeuge für den klassischen Dienstwageneinsatz taugen, geht Baumgärtner im Selbstversuch mit einem BMW i3 nach. "Fahrzeuge mit Range-Extender fallen bei uns aus dem Raster, denn der Pragmatismus des Fahrers ist nicht zu unterschätzen, sodass der vermeintliche Öko-Vorteil in der Praxis schnell verpufft", findet der Manager. Im Januar 2014 tauschte er seinen BMW 320 Touring gegen den i3 (ohne Range-Extender) und die Bahn-Card. "Im ersten Jahr bin ich 20.000 Kilometer mit dem i3 gefahren. Die Erfahrungswerte zeigen, dass der i3 als Poolfahrzeug oder für den Werkverkehr funktioniert, aber nicht als Dienstwagen. Er hat wie die meisten angebotenen E-Fahrzeuge jene Schwäche, dass das Fahren bei schlechtem Wetter oder mit großen Stauphasen schnell zur Geduldsprobe wird, ob ich mit der Restlaufweite überhaupt noch ankomme. Für termingetriebene Firmenwagennutzer ist dies kein Szenario", urteilt Baumgärtner.

Ganz oder gar nicht

Die weitere Suche nach Stromer-Alternativen endete beim momentanen Reichweiten-König, dem Tesla Model S. Doch wie bekommt man ein 85.000 Euro teures Auto großflächig in den Fuhrpark? Die Firmenwagenfahrer sind laut Baumgärtner anfänglich von der Technik der E-Fahrzeuge oft angetan, aber diese Faszination lege sich nach zwei, drei Monaten wieder. Dann zählen die praktischen Dinge des Alltags. "Da das Auto im Sinne der Gehaltsumwandlung für den Firmenwagennutzer einen hoher Mehrwert darstellen soll, kann ich den Mitarbeiter nicht durch eine Zwangsumstellung auf die E-Fahrzeuge, die Nachteile bergen, motivieren. Damit erreiche ich das Gegenteil vom Gewollten", gesteht der Geschäftsführer. Es ergeben sich also bei jedem E-Fahrzeug, das Baumgärtner einem Firmenwagenberechtigten anbieten möchte, komplett neue Fragestellungen.

"Grundsätzlich stellten wir uns drei Prämissen für den Umbau der Flotte. Es sollte kein weiteres Forschungsprojekt werden, in dem es ein Backup gibt. Halbschwangere Lösungen wie Plug-in-Hybride sollte es nicht weiter geben. Und es sollte kein Vorstandsprojekt werden, bei dem öffentlichkeitswirksam nur die ein, zwei Vorstandsfahrzeuge auf Grün gewechselt werden. Denn das sind zumeist Einzelprojekte, die mit den firmenweiten Strukturen der Car-Policy wenig zu tun haben", fasst Baumgärtner die Ausgangslage zusammen.

Los ging es damit, dass aus dem Pool der Diesel-Fahrer jene herausgesucht wurden, deren Selbstzünder eine Restlaufzeit von maximal sechs Monaten hatten. Das waren 40 Personen. Nun begannen die Gesprächsrunden. Zunächst wurde gefragt, ob die Ausgewählten bereit wären, ein Model S zu fahren und über die Ein-Prozent-Regel selbst mitzufinanzieren. 18 Mitarbeiter sagten "Ja". "Parallel haben wir einen Fragebogen und einen Konfigurator entwickelt, um das tatsächliche Mobilitätsverhalten der interessierten Fahrer herauszufinden.

Nach der einstündigen Befragung eines jeden der 18 Fahrer ergab das Scoring, dass acht Fahrer wirklich mit ihrem Mobilitätsverhalten zum Tesla passten", berichtet Baumgärtner. Die Gründe, weshalb Mitarbeiter und E-Fahrzeug nicht zusammenpassten, reichten von zu großer Jahreskilometerleistung bis zur Notwendigkeit, dass das Auto eine Anhängerkupplung brauche.

Interne Währung

Diese aufwendige Aufklärungsarbeit war nötig, um einen möglichen Frust zu verhindern, argumentiert der Geschäftsführer und betont, dass es hierbei nicht um einen missionarischen Ansatz gehe, sondern um das Ausloten der Wirklichkeiten. Im Dezember 2014 startete diese Wirklichkeit: Zehn Fahrer erhielten als Dienstwagen für drei Jahre einen Tesla, ohne Absicherung mit einem konventionellen Verbrenner-Modell. Nach einem Monat, indem es bisweilen nach Usedom oder auch in Skigebiete ging, wurden 25.000 Kilometer elektrisch zurückgelegt. "Es ist die reale Welt der Dienstwagenflotte", freut sich Baumgärtner.

Seitens der Technik funktionierte also der Umstieg. Eine Frage, die sich natürlich jedes Unternehmen stellt, ist: Wie geht man mit den Mehrkosten um? "Wenn ich diese einfach oben draufschlage und es wird einfach nur teurer, dann rechnen sich die Modelle eben nicht. Stattdessen brauche ich eine Wertigkeit, die ich den Bemühungen rund um die Elektrifizierung der Flotte im eigenen Unternehmen gebe. Diese interne Währung muss dann auf alle Kostenstellen im Unternehmen umzulegen sein", erklärt Baumgärtner und gibt ein Beispiel. Wenn aufgrund der positiven Resonanz auf die E-Fahrzeuge eine Anzeige fürs Recruiting gespart werden kann, dann müssten diese Gelder vom Human Resources in den Fuhrpark fließen.

Neue Prozesse

Die Elektrifizierung müsse man deshalb sowohl mit dem Fuhrparkmanager als auch mit dem Recruiting, der Personalabteilung und dem Marketing besprechen. "Der Prozess-Owner ist aber der Fuhrparkleiter. Denn alle Prozesse, wie das Umtauschen von Tank- zur Ladekarte oder das Errichten der persönlichen Ladeinfrastruktur, müssen geklärt sein, bevor der Firmenwagennutzer sein E-Fahrzeug bestellt", mahnt der Manager. "Im ersten Moment ist das Thema komplex. Wenn man aber mal anfängt, die Unsicherheiten durch eigene Erfahrungen zu ersetzen, merkt man schnell, dass diese Komplexität beherrschbar ist."

Ein Aspekt fehlt in der Prozessumstellung noch: die Kalkulation. Auch bei Bridging IT wurden plötzlich neue Dimensionen sichtbar, wie Klaus Baumgärtner erklärt: "In der komplexen Rechnung kann jede Stellschraube leicht so variiert werden, dass Elektromobilität schnell unrentabel wird. Wir haben dennoch alle Ausgaben, und sei es Geld für ein zusätzliches Zehn-Meter-Ladekabel, zusammengetragen, um die nach unserem

Ansinnen realen Kosten zu erhalten. Jedes Fahrzeug wies am Ende eine Deckungslücke von 250 Euro auf. Aus Fahrersicht habe ich zudem ein Versteuerungsthema aufgrund des erhöhten Bruttolistenpreises sowie die Einmalinvestition für die persönliche Ladeinfrastruktur. In Summe sind dies für jeden Fahrer monatlich 368 Euro Mehrkosten. Diese Thematik haben wir in die persönlichen Ziele der Mitarbeiter aufgenommen." Der ehrgeizige Schritt erfordert also nicht nur Mut, sondern auch finanzielle Zugeständnisse der Fahrer (siehe Tabelle S. 46).

Aufgrund dieser Konsequenz werden wohl nicht nur andere Flottenchefs ein Auge auf den Echtzeit-Einsatz werfen. Die Zeit der Nebelkerzen könnte bald vorbei sein.

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